Thema Sauerteig #2 Mild oder Sauer?

Als erstes zu der Frage ob man altes Brot an den Sauerteig macht.

Altes Brot ist das älteste Backmittel der Welt. Ich war „früher“ auch der Meinung das es dabei nur um eine Resteverwertung geht, bis mich ein Ingenieur der Lebensmittelbranche von den Vorteilen überzeugt hat. Der erste Vorteil ist, dass altes Brot Futter für den Sauerteig ist. Er wird dadurch lebendiger. Der zweite ist ein besserer Brotgeschmack durch die Röststoffe auf der Rinde.

Es gibt sogar ein Verfahren, eine so genannte Brotfermentation, bei welcher nur Restbrot zur Sauerteig Herstellung verwendet wird. Trotz der wirtschaftlichen Vorteile hat sich dieses Verfahren aber nicht durchgesetzt, da der Sauerteig sehr „spitz“ ist, also sehr sauer. Das mögen die meisten Kunden nicht. Jedenfalls nicht unterhalb von Kiel. Einige Bäcker arbeiten seid Jahren erfolgreich damit und schwören darauf.

Es ist natürlich nicht nötig das Brot zu trocknen und zu mahlen. Ich schneide das Brot (vom Vortag) und weiche es in Wasser ein. Dieses Wasser rechne ich dann beim Sauer weg. Wenn man das restbrot direkt dem Teig zusetzt, dann sieht es der Kunde im fertigen Brot. Kommt es an den Sauerteig, ist es völlig verschwunden.

Es ist natürlich eine Frage der Menge!!! Was sagen die Leitsätze für Brot dazu?

Mitverwendung von Brot

Verwendung von verkehrsfähigem, hygienisch einwandfreiem Brot bei der Brotherstellung ist üblich, bei Brot mit überwiegendem Weizenanteil bis zu 6 Prozent, bei überwiegendem Roggenanteil bis zu 20 Prozent, jeweils berechnet als Frischbrot.  Das mitverwendete Brot ist im Enderzeugnis mit bloßem Auge nicht erkennbar.

Ich mache an 100 fertige Brote 3 Restbrote. Da ist natürlich der Aufwand an Arbeitskraft größer als der wirtschaftliche Nutzen! Jetzt kann man auch überlegen, dass sich diese Methode für Hobbybäcker nicht eignet.

Wie soll man aber einen Sauerteig führen? Warm oder kalt?

Ich fand die Begriffe Warm und kalt beim Thema Sauerteig schon immer lustig.

Warm: 28°C

Kalt: 24°C

Was für ein Unterschied! 🙄

Sauerteig besteht (wenn man alles richtig gemacht hat)  aus den Sauerteighefen, aus Essigsäure und Milchsäure. Dabei sollte man 20% Essigsäure und 80% Milchsäure im reifen Sauerteig erreicht haben.

Die Essigsäure schmeckt im fertigen Brot stark säuerlich, die Milchsäure eher mild säuerlich.

Da der Verbraucher (was für ein Wort: Verbraucher!!!) heute lieber mildere Brote bevorzugt, neigen manche Bäcker dazu weniger Sauer zu verwenden. Besser ist es aber die volle Menge Sauer zu verwenden (ja nach Mehlmischung unterschiedlich) und dafür milder zu versäuern.

Die Bildung von Essigsäure wird begünstigt durch kalte Führung (24°C) und feste Führung (TA 160-180). Da Essigsäure leicht flüchtig ist, ist sie in weichen Teigen weniger vorhanden als in festen Teigen.

Milchsäure bildet sich besser in weichen (TA 180-200)  und warmen Teigen. (26-30C) Außerdem begünstigen diese Temperaturen die Bildung von Hefen mehr als die 24°C.

Außer den Führungsparametern Teigausbeute  und Teigtemperatur müssen wir bei unserem Sauer aber noch die Zeit beachten. Je länger der Sauerteig steht, desto mehr Säure wird gebildet. Bis er schließlich umkippt und Buttersäure bildet. Einfach mal 2-3 Tage stehen lassen und dann riechen. Sehr eindrucksvoll!

Je wärmer der Sauer ist, desto schneller laufen natürlich auch die Vorgänge ab. Wenn ich zBSp TA 200 machen und eine TT von 28°C habe, dann ist der Sauer nach 12h reif und kann verarbeitet werden. Bei 24°C und TA 180 dauert es schon 18h.

Dunkle Mehle säuern schneller als Helle Mehle.

Mit diesen Parametern kann man herrlich spielen. Mal ein kräftig gesäuertes Brot herstellen und mal ein mildes.

In der Praxis prüft der Bäckermeister den Geruch des Sauers indem er den fertigen Sauer mit der Hand aufreißt und dabei ganz nah dran riecht. Beim fertigen Brot wird das Brot aufgeschnitten, vor die Nase gehalten und mehrmals wie ein Schwamm gedrückt. Dabei kann man das Aroma und die Säure des Brotes riechen. Wenn man das einmal anfängt, macht man das immer. Deshalb lachen auch alle immer wenn Bäcker Süpke mal außerhalb isst. Denn er muss erst mal überall dran riechen. Mein Sohn macht das übrigens auch schon…

Also liebe Verbraucher, ich hoffe ich habe ein paar gute Tipps gegeben für den Sauerteig zu Hause.

29 Antworten

  1. Interessante Tipps für jeden Hobby-ST-Bäcker 🙂

    Mich würde aber noch interessieren welche Menge an ST ihr so am Tag verarbeitet.
    Von welcher Größenordnung geht man da aus?

    Ein kleiner Hinweis noch am Rand:
    ……viele Infos rund um den Sauerteig findet man auch unter http://www.der-Sauerteig.de – interessierte Hobbybäcker sind hier herzlich willkommen.

  2. Hoch-interessantes Thema. Ich freue mich sehr an den nächsten Post. Grüsse aus Spanien, da hier es auch „Verbräucher“ gibt 😉

  3. Klasse Thema! Ich habe auch schon ein Rezept mit altem Brot gebacken. Da kommt das alte Brot allerdings in den Vorteig, der dann 24 – 72 Stunden im Kühlschrank aufbewahrt wird. Das Resultat ist eine super aromatische, rustikale knusprige Brotstange.

  4. Vielen Dank, da ich als Hobbybäckerin keine genauen Temperaturen halten kann und will steuere ich die Säure „nur“ durch die Flüssigkeitsmenge.

    Und das Schöne an diesem Prinzip ist, ein und dasselbe Brot schmeckt dann immer wieder anders, das geht natürlich in einer Bäckerei nicht 😉

    Und das überall dran riechen ist nicht nur eine „Berufskrankheit“ von Bäckern.

  5. Danke fuer die Erklaerung! Wieder mal was gelernt 🙂

  6. nun wäre das auch mal geklärt 😉

  7. Sehr interessantes Thema. Ich bevorzuge auch die „warm und weich“ Variante, da ich kräftig gesäuertes Brot nicht mag. Um die Temperatur bei ca 29°C zu halten wird meine Mikrowelle zweckentfremdet. Mit angeschalteter Beleuchtung ist sie ein ziemlich genialer Inkubator.
    Ich verwende Restbrot normalerweise in Form von Semmelbröseln, denn das alte Brot fällt bei mir nie dann an, wenn ich backen möchte 🙂 Also wird es auf der Heizung getrocknet, und bei Bedarf mit der Küchenmaschine in ganz feine Brösel gerieben. Beim Backen ersetze ich dann 10% des Mehls mit den Bröseln.

  8. Hallo in die Runde,
    kürzlich habe ich von einem 80-jährigen Bäckermeister gehört, dass er in seiner aktiven Zeit als Bäckereibesitzer nie Hilfsmittel eingesetzt hat und immer Restbrot mitverarbeitet hat.
    Was mich jetzt in diesem Zusammenhang interessiert:
    Im Restbrot ist ja in aller Regel auch Hefe zugesetzt gewesen.
    Wie wirkt sich die Verwendung von Restbrot für den zurück zu behaltenden Sauerteig (ASG) für den nächsten Backtag aus?
    Oder habe ich einfach nur einen Denkfehler und das Restbrot wird erst dem Hauptteig zugesetzt?
    Oder behalte ich das ASG zurück und füge dann das Restbrot zu und lasse den ST reifen?

  9. Vielen Dank für die tollen Tipps zum Sauerteig für zu Hause. Endlich auch eine tolle Lösung für das Restbrot (kam immer in den Biomüll). Dass Restbrot in Bäckereien verbacken werden, konnte man tatsächlich bei gekauften Broten sehen. Ich fand dies immer sehr eklig. Das nächste „Konnsummbrot“ backe ich nach der „Bäcker Süpke Methode“ und mit einem milden Geschmack. Und dran riechen ist auch angesagt. Ich musste über die Geruchsproben laut lachen.
    Herzlicher Dank für die Mühe und Zeit, die Sie für uns Hobbybäcker aufwenden.
    Gruss Marion

  10. So langsam dämmert es mir, wieso meine Brote immer recht mild schmecken. Ich habe meistens warme und flüssiger Sauerteige gemacht, wohl auch wegen der Zeitersparnis. Da gibt’s mal wieder viel zum Ausprobieren in der eigenen Knetschüssel. Danke.

  11. So genau war mir der Zusammenhang zwischen Konsistenz, Temperatur und Geschmack nicht klar.
    Vielen Dank für die Erläuterung.
    Als Hobbybäckerin habe ich wie viele hier auch nicht die Möglichkeit so gründlich Einfluss auf die Temperatur und die Zeit zu nehmen. Ich mische Mehl, Wasser (i.d.R 1:1) und ASG und lasse es um die 20-24 Stunden in der Küche stehen. Ich werde beim nächsten Mal mit den Parametern ein wenig experimentieren.
    Was ich mich allerdings auch schon ne ganze Weile frage, ist, ob die Menge des Anstellgutes im Verhältnis zu Mehl und Wasser Einfluss auf das ST-Ergebnis hat. Ich hab meistens so um die 2 EL ASG und geb die so zum neuen ST, egal, ob ich 200g oder 400 g Mehl für den ST verwende.

  12. Je höher die ASG-Menge, umso mehr Mikroorganismen stehen zur Vermehrung zur Verfügung, dadurch kann die gewünschte Versäuerung schneller erreicht werden.
    Je wärmer es ist und je weicher der Teig, umso aktiver sind die einzelnen MO´s und umso schneller ist der ST fertig.

    • Das heißt, wenn nebeneinander a) weicher u. kühler und b) fester u. warmer Teig aufgehen und zur gleichen Zeit fertig sind, hat man zweimal den gleichen Teig?

      • man hat nie 2x denselben Teig. Backen ist keine Mathematik, auch wenn backen Spaß macht! .-)
        Also: Du hast da auf jeden Fall 2 verschiedene Teige, dh 2 verschiedene Säure Mengen und PH werte!

        • Habe mich nur gefragt, was mehr säuert, die kältere Führung oder die höhere Festigkeit des Teiges? Bei der Detmolder 3-Stufen-Führung gibt es ja auch diese relativ komplizierten Temperatur- und TA-Angaben. Ich habe die Temperaturen nie richtig einhalten können und habe dann bei kälteren Bedingungen den Teig einfach länger gehen lassen. Das scheint also nicht so ganz das Wahre zu sein, zumindest ist das Ergebnis nicht identisch mit dem fachgerecht geführten „Detmolder-3-Stufen-Teig“.

          • Naja, wenn Du einen festen Sauer hast und der ist zu warm, dann ist er eben nur schnell. Hat aber mehr Milchsäure. Die Essigsäure liebt ja das feste Milieu.
            Bei der 3 Stufen Führung will man ja: 1. Stufe: hefevermehrung. 2. Stufe: Essigsäure (also bevorzugt, nicht nur!) 3. Stufe: Milchsäure und Hefevermehrung.
            Da man in der Praxis das nie richtig steuern kann (außer in einer Sauerteiganlage, welche beheizt und gekühlt wird) macht so gut wie keiner die 3 Stufenführung.
            Aber wenn ich dazu komme schreibe ich mal einen Vergleich auf. #Zeit

            • Ok, danke, ich werde mal in der Küche mehr mit Festigkeiten und Temperaturen experimentieren. Die exakte Bestimmung des pH-Werts mit Hilfe von Indikatorpapier aus der Apotheke schlug bei mir bombastisch fehl (das erste Papier hatte einen falschen Messbereich, das zweite war zu ungenau 🙂 ).

              Nils

  13. Als absoluter Neuling in Sachen Sauerteig freue ich mich auch auf den angekündigten Beitrag zur Menge des Anstellgutes.
    Eine Bitte habe ich an den Meister bezüglich der Temperatur des Wassers.
    Hier habe ich erstmalig gelernt, beim Backen mit unterschiedlichen Temperaturen zu backen. Bis dahin kannte ich nur die Methode „lauwarme Flüssigkeit“.
    Auch unterschiedliche Teigtemperaturen kannte ich nicht.
    Gruss Marion

  14. […] zum selber bastlen o…baeckersuepke zu Toastbrot zum selber bastlen o…marion zu Thema Sauerteig #2 Mild oder…Silke zu Toastbrot zum selber bastlen […]

  15. Herzlichen Dank an den Meister, der nach seiner anstrengenden Arbeit und seinem verdienten „Feiermorgen“ sehr ausführlich das Thema „Sauerteig und Anstellgut“ beschrieben hat. Am Wochenende werde ich loslegen und versuchen, endlich ein Sauerteigbrot hinzubekommen.
    Schönes Wochenende,Gruss Marion

  16. Sehr interessant! Ehrlich gesagt, ich mach das alles einfach nach Gefühl. Aber ich habe ja auch nur einen Verbraucher zu Hause und der isst (fast) alles. 😉

  17. Vielen Dank für diesen hochinteressanten Artikel. Das man altes Brot an den Sauerteig macht, habe ich zwar früher auch schonmal gehört, konnte mir jedoch den Sinn dessen nicht erklären. Aber jetzt weiss ich’s ja 🙂

  18. Habe erst frisch mit dem Sauerteig Brotbacken angefangen – und dieser Beitrag hat mich gut informiert, inspiriert und amüsiert 🙂 vielen Dank dafür. Viele Grüße an Bäcker Süpke.

  19. Lieber Herr Süpke,
    danke schön für die Seite mit den ganzen Informationen über die Sauerteigführung. Meine Mutter leitete in Berlin eine Bäckerfiliale und mein Vater war Steuerberater (aus der Nähe von Detmold!), der sich auf Bäcker spezialisiert hatte, daher ist mir das Bäckerhandwerk von klein auf vertraut. Jetzt auf meine „älteren“ Tage (bin auch Jahrgang 1962) habe ich das Backen selbst entdeckt und versuche mich an altmodischen Roggenvollkornbroten.
    Alles Gute für Sie und Ihre Familie, und bleiben Sie gesund
    Andreas Berning

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