Thema Sauerteig

Stefanie von Hefe und Meer hat mir neulich auf meiner Internetseite folgende Frage gestellt:

Hallo Bäcker Süpke,
Ich bin jetzt schon mehrmals auf englischen Seiten auf den Hinweis gestoßen, dass deutsche Bäcker alle drei Monate neuen Sauerteig ansetzen würden. Da alle Hobbybäcker (mich eingeschlossen) ihren Sauerteig über Jahre hegen und pflegen, würde mich interessieren, ob das ein Gerücht ist, welche sich im englischsprachigen Raum hartnäckig hält, oder ob es in Bäckereien tatsächlich so gehandhabt wird.
Vielen Dank,
Stefanie

Tatsächlich lautet die fachliche Empfehlung die jeder Meisterschüler lernt, den Sauerteig jede Woche neu an zu setzen. Das mag Hobbybäcker verwundern und es wird auch nicht von allen Bäckern so gemacht. (die wirklich Sauerteig machen!) Manche Bäcker werben eventuell sogar damit das ihr Sauerteig noch von Oba Gustaff ist und deshalb das Brot etwas ganz besonderes.

Ich selbst habe mal (am Anfang meiner Selbständigkeit) einen Sauer über 3 Jahre immer weiter vermehrt. Bis ich Probleme mit dem Brotgeschmack bekam. Da habe ich dann mal den Sauer prüfen lassen und feststellen müssen das er völlig „umgekippt“ war.

Das ist leicht zu erklären: Durch das ständige weiter vermehren kommen selbstverständlich fremde Bakterien und Kulturen in den Sauer. Gerade wenn er so beansprucht wird wie in einer Bäckerei. Da ist es mal Sommer, mal Winter, mal warm und mal kalt. Dann wird mal statt 5 kg Anstellgut 10kg genommen weil sonst so viel Sauer übrig ist. Dann steht er mal 24 h und mal 48. (übers Wochenende) usw.

In der Hefefabrik werden übrigens auch regelmäßig neue Hefekulturen heran gezüchtet, weil die Hefen „Inzucht“ begehen und somit keine gleichbleibende Qualität gewährleistet ist.

Jetzt mache ich schon seid Jahren jede Woche neuen Sauer und bin sehr zufrieden damit. Der große Vorteil für mich ist, außer dass ich immer top Sauerteig habe, dass ich den neuen Sauer  gut übers Wochenende führen kann. Den neuen Sauer setzte ich am Freitag an. Am Samstag Morgen nehme ich diesen dann als Anstellgut. Der neue Sauer braucht immer etwas bis er in die Gänge kommt. Da er aber bis Sonntag Abend steht, ist er dann wunderbar. Wenn ich den Sauer nur normal weiter vermehre, ist er am Sonntag schon zu reif. So habe ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Als Anstellgut nehme ich Reinzuchtsauer. Das sind Starterkulturen, welche im „Labor“ gezüchtet werden. Das ist ganz einfach und sehr sicher. Das ist praktisch ein großer Würfel aus gepressten, leicht feuchten Roggenschrot, in dem sich die Kulturen befinden.

In der DDR gab es so was natürlich nicht. Wenn mein Meister Urlaub gemacht hat, dann hat er entweder Sauer eingefroren oder er hat Sauer bei einem Kollegen geholt. Einmal haben wir selber neuen Sauer angesetzt. Vor allem damit ich es lerne. Es hat aber wirklich fast eine Woche gedauert bis der Sauer wieder richtig zu Gange war. Deshalb haben wir das nicht noch mal gemacht.

Man nimmt 1 kg Roggenmehl, 1 l Wasser und 50g gemahlenen Kümmel. Das wird verrührt, TT 30°C. Dann tut man eine halbe geschälte Zwiebel oben drauf und deckt das ganze zu. 24 h bei Raumtemperatur stehen lassen. Dann nochmal anfrischen: 1kg Roggenmehl. 1 l Wasser (Zwiebel weg!). TT 30. Wieder einen Tag bei Raumtemperatur  stehen lassen. Das nimmt man dann als Anstellgut für den neuen Sauer. (Für Hobbybäcker natürlich nur mit 50g Mehl das Ganze herstellen!)

Die Zwiebel „erschreckt“ Bakterien, die NICHT in den Sauer sollen. Der Kümmel LOCKT Bakterien an, die unbedingt in den Sauer sollen. Das ist eine Uralte Methode und sie wurde mir schon von mehren alten Bäckermeistern erzählt. (Bin ich ja auch schon bald!)

Disclaimer: Natürlich muss Niemand seinen Sauerteig jede Woche neu machen! Gerade Hobbybäcker nicht! Da ist man bestimmt froh wenn man einen Sauer hat der funzt! Ich schreibe das nur als Tipp für Interessierte.

Noch zwei interessante Sachen:

– Die Trapper in Kanada haben ihren Sauer in einem Beutel immer an der Brust getragen. Damit er nicht einfriert. Wenn ein Trapper immer gutes Brot buck, bekam er von den anderen den ehrenvollen Spitznamen: „Sauerteig“

– Zum Passah Fest muss die Jüdische Hausfrau das Haus übelst putzen. Und den Sauerteig verbrennen. Alles was Sauerteig / Hefe ist muss verbrannt werden. Denn der Sauerteig symbolisiert in der Bibel oft (nicht immer) die Schlechtigkeit der Welt. Weil er so ansteckend ist. Wie das Schlechte. Als die Juden in Ägypten ausgezogen sind durften sie den „alten“ Sauerteig nicht mitnehmen. Deshalb diese religiöse Tradition. Ich habe mal gelesen, das manche jüdische Hausfrau die einen guten Sauerteig besitzt, diesen vor dem Passah ihrer palästinensischen Nachbarin verkauft. Nach dem Passah kauft sie ihn dann zurück. Das finde ich sehr witzig und clever! Hoffentlich petzt die palästinensische Nachbarin nicht bei Gott! 🙂